(Presseerklärung des FoeBuD e.V. zur Erweiterung des Polizeigesetzes in NRW.)
Mit Datum 17.7.2002 veröffentlicht das Innenministerium NRW eine
Presseerklärung, dass in NRW zukünftig in »Kriminalitätsbrennpunkten
mit gezielter polizeilicher Videoüberwachung auch gegen Diebstahl,
Körperverletzung und Sachbeschädigung« vorgegangen werden soll.
Dabei verweist das Innenministerium auf die »erfolgreichen Zahlen des
Bielefelder Modellprojekts«. Tatsächlich gibt es solche »erfolgreichen
Zahlen« nicht: Lange vor der Installation der Überwachungsanlagen im
Ravensberger Park, verschwand der Eindruck eines
»Krimiminalitätsbrennpunkts« durch andere Maßnahmen: Das Gelände wurde
aufgeräumt, Sträucher zurück geschnitten, eine Ruine entfernt resp.
renoviert, neue Beleuchtung installiert.
Im Bericht des Polizeipräsidiums an das Innenministerium NRW wurden
Informationen unterschlagen und geschönt:
- Gelogen ist: Es gab keine positive Prüfung durch die
Landesdatenschutzbeauftragte: Vielmehr hat sich die
Landesdatenschutzbeauftragte vehement gegen die Videoüberwachung
ausgesprochen.
- Gelogen ist, dass »das öffentliche Interesse insgesamt eher
unauffällig« war: Richtig ist, dass die Medien in Bielefeld das Thema
nicht in der angemessenen Art und Weise aufgegriffen hatten.
Kritische Leserbriefe wurden nicht veröffentlicht.
- Richtig ist: Tatsächlich haben vielfach Protestaktionen von
Bürgerinnen und Bürgern mit unterschiedlichen Aktionsformen
stattgefunden: Mindestens zwei Demonstrationen, ein Infostand in der
Bielefelder Innenstadt, eine Kunstaktion im Ravensberger Park; bei
der Pressekonferenz zur Installation der Videoüberwachung waren
protestierende Bürgerinnen und Bürger mit Transparenten anwesend und
es fand ein bundesweites Seminar für Lokalpolitikerinnen und
-Politiker zum Thema Videoüberwachung (mit Besichtigung des
Monitorraums im Polizeigebäude) des FoeBuD e.V. in Bielefeld statt.
- Richtig ist: Ein Bürger hat gegen das Modellprojekt Klage
eingereicht ("pdf" 32 KB). (Zweite Presseerklärung "pdf" 121 KB)
- Dies wurde größtenteils im Bericht unterschlagen, um in Düsseldorf
zu suggerieren, dass es der Öffentlichkeit sowieso egal sei.
- Richtig ist: Von positiven Erfahrungen kann keine Rede sein, denn
die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Von etwa 23.000 Straftaten
wurden nur 0,2 Prozent im Ravensberger Park verübt. Im gesamten Jahr
2000 waren es nur 6 Delikte.
- Richtig ist: Eine Evaluation des sogenannten Modellprojektes
Videoüberwachung kann es wegen fehlender Zahlen nicht geben. Das
bestätigte auch der beauftragte Gutachter, Prof. Dr. Klaus Boers von
Institut für Kriminologie der Universität Münster.
Die Argumente gegen Videoüberwachung haben wir vielfach in die
Diskussion getragen und sie sind unwiderlegt:
[Video- und Kameraüberwachung ist unsinnig]:
- Videoüberwachung hilft konkret keinem Opfer. Wer in eine
unangenehme Situation kommt, wer überfallen wird, braucht sofortige
Hilfe durch andere Menschen, die einschreiten. Eine Aufzeichnung des
Vorfalls kann bestenfalls nachträglich für die Ermittlungen der
Polizei verwertet werden.
- Videoüberwachung ist sinnlos zur Senkung der Kriminalität: Es wird
eine Verdrängung der Szene in andere Stadtteile (Einkaufsstraßen,
Wohngebiete) geben. Konsequent zu Ende gedacht führt das langfristig
zu einer flächendeckenden Videoüberwachung.
- Videoüberwachung verletzt die Rechtsstaatlichkeit (die
Unschuldsvermutung wird außer Kraft gesetzt, wenn alle dauernd
beobachtet werden und damit als potentielle Straftäter/innen
behandelt werden) und die Würde des Menschen. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem bekannten Volkszählungsurteil
festgestellt, dass Menschen, die damit rechnen müssen, dass all ihre
Handlungen registriert und gespeichert werden, alles tun werden, um
nicht aufzufallen. Sie werden also z.B. vermeiden, zu einer
öffentlichen Versammlung oder zu einer Bürgerinitiative zu gehen,
also ihre Grundrechte nicht mehr wahrnehmen. Damit schadet eine
solche Überwachung nicht nur der individuellen Entfaltung einzelner
Menschen, sondern auch dem Gemeinwohl.
[Wem nützt die Videoüberwachung eigentlich?]
Sie nützt populistischen Politikern, die demonstrieren wollen, dass
sie etwas tun, Herstellerfirmen Kameras verkaufen und installieren.
Am interessantesten ist Videoüberwachung ausschließlich für Firmen
interessant, die die Wartung übernehmen und vor allem die, die die
Standleitungen anbieten. Vor einigen Jahren noch zahlte die Polizei in
Köln monatlich 8.000 DM (4.000 Euro) für jede Leitung zu einer
Notrufsäule. Bisher wurde stets darüber geschwiegen, was jede Leitung
von einer Kamera zur Überwachungszentrale kostet.
Wir haben es hier mit den Auswüchsen der Lobbyarbeit des ZVEI
(Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektroindustrie) zu tun.
Selbst wenn wir es als einen wünschenswerten Aspekt ansehen sollten,
dass viel Steuergeld in den Taschen einiger weniger
Leitungsklüngelbarone wandert, ist die Gefahr für unsere Demokratie,
die durch Überwachungssysteme in öffentlicher und privater Hand
gegeben sind, nicht hinzunehmen.
[Fazit]:
Wir stellen fest:
- Das Pilotprojekt Videoüberwachung war keineswegs erfolgreich.
- Der Bericht des Innenausschusses ist nicht wahrheitsgemäß
beziehungsweise lässt vorsätzlich entscheidende Fakten aus, die gegen
Videoüberwachung sprechen.
- Aufgrund eines solchen wissentlich falschen Berichtes eine
schwerwiegende Gesetzesänderung zu veranlassen ist unverantwortlich.
Wir fragen uns insbesondere, ob die beiden grünen Minister im Kabinett
völlig ahnungslos sind, tief und fest geschlafen haben oder ob ihnen
Bürgerrechte mittlerweile so egal sind, daß sie diese der F.D.P.
überlassen wollen...
Für den FoeBuD e.V.
Rena Tangens, padeluun, Tom Budewig
[Weiterer Links]: Prof. Dr. Bücking/Thomas Kubera:
Videoschutz im Ravensberger Park -- Modellprojekt zur Videoüberwachung in öffentlichen Raum der Polizei in Nordrhein-Westfalen.
Stellungnahme des Vereins zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs FoeBuD e.V. zum Pilotprojekt Videoüberwachung im Ravensberger Park.